Anna Dengel - Gründerin der Missionsärztlichen Schwestern

Auf der Suche nach der eigenen Berufung

Anna Dengel wurde am 16. März 1892 als Älteste von neun Kindern in Steeg, im Lechtal in Tirol geboren. Nach dem frühen Tod der Mutter lebte Anna Dengel in einem Internat in Hall, wo sie eine fundierte und vielseitige Ausbildung erhielt. Nach dem Schulabschluss ging sie als Deutschlehrerin für eine Zeit nach Frankreich. Durch Zufall hörte sie von einer Schule in Lyon, die Mädchen für die Krankenpflege in Missionsgebieten ausbildete. Zwar fand Anna keinen Kontakt zu der Schule, dafür aber zu einer schottischen Ärztin, Dr. Agnes McLaren. Diese suchte Ärztinnen für die medizinische Versorgung von Frauen und Kindern in Nord-Indien und war gewillt, interessierten jungen Frauen das Medizinstudium zu ermöglichen.

Ich war Feuer und Flamme

Anna Dengel war sofort ‚Feuer und Flamme‘: „Das ist die Antwort auf meinen größten Wunsch und meine tiefste Sehnsucht: Missionarin zu sein mit einem konkreten Ziel, eine dringend notwendige Aufgabe zu übernehmen, die nur Frauen erfüllen können. Das ist der Traum seit meiner Kindheit!“ Anna Dengel hat zwar mit Dr. McLaren korrespondiert, aber leider kam es durch den Tod von Dr. McLaren nie zu einer persönlichen Begegnung.

Aber Anna war entschlossen, Medizin zu studieren und Ärztin zu werden. Dr. McLaren hatte ihr die katholische Universität in Cork/Irland empfohlen, da sie für Indien ein britisches Diplom benötigte. Und so begann Anna Dengel als einzige Ausländerin in ihrem Semester 1914 ihr Medizinstudium in Cork, als der erste Weltkrieg ausbrach. Es war eine schwierige Zeit für sie, da weder Post noch finanzielle Unterstützung aus der Heimat sie erreichten. Londoner Freundinnen von Dr. McLaren gaben ihr ein kleines Stipendium. Den Rest der Studienkosten deckte Anna Dengel durch Übernahme verschiedener Arbeiten.

1919 promovierte sie und bemühte sich sofort um ein Visum für Indien: Im Oktober 1920 nahm sie voller Enthusiasmus als einzige Ärztin ihre Tätigkeit im Krankenhaus in Rawalpindi (damals Britisch-Indien, heute Pakistan) auf. Die Arbeit im Krankenhaus, in der Ambulanz und bei Hausbesuchen, sowie das Erlernen der Landessprache Urdu füllten ihre Tage völlig aus. Sie litt unter dem Mangel an fachlicher Unterstützung, so dass sie sich völlig verausgabte. Ihre Erschöpfung ließ sie nach dem Sinn des Ganzen fragen, half ihr aber zugleich, Klarheit zu gewinnen über ihren weiteren Weg.

Ein neuer Weg tut sich auf

Ein Priester, dem sie sich in ihrer Ratlosigkeit anvertraute, riet ihr, in einen Missionsorden einzutreten. Anna Dengel war nicht begeistert, denn ein Ordenseintritt bedeutete, ihre ärztliche Tätigkeit aufzugeben, da das Kirchenrecht Ordensleuten die volle Ausübung der Medizin verbot. Dennoch entschied sie sich schweren Herzens, dem priesterlichen Rat zu folgen und nachdem sie eine indische Ärztin als Nachfolgerin im Krankenhaus gefunden hatte, verließ sie Rawalpindi Richtung Europa. In Deutschland und Österreich suchte sie Rat und nach Exerzitien in Innsbruck reifte in ihr der Plan, eine eigene Gemeinschaft zu gründen. Weil Europa durch den 1.Weltkrieg demoralisiert und verarmt war, riet man ihr, in den USA Unterstützung für die Gründung der Gemeinschaft zu suchen. Dort fand sie tatsächlich bald Förderer und Weggefährtinnen.

Die von Anna Dengel verfasste Konstitution für die Gemeinschaft wurde vom Bischof von Baltimore genehmigt. Drei Frauen, eine Ärztin und zwei Krankenschwestern, schlossen sich ihr an und am 30. September 1925 gründeten sie in Washington gemeinsam die „Medical Mission Sisters“/Missionsärztlichen Schwestern. Wegen des kirchenrechtlichen Verbots medizinischer Tätigkeit durch Ordensleute verzichteten sie zunächst auf die Ablegung öffentlicher Gelübde, sondern waren eine sogenannte »Pia Societas« (fromme Gemeinschaft). Doch Anna Dengel, unterstützt von vielen anderen, erwirkten 1936 die Änderung des Kirchenrechts und infolgedessen konnten die Missionsärztlichen Schwestern als Ordensfrauen den vollen medizinischen Dienst ausüben. Am 15. August 1941 legten Anna Dengel und die ersten Schwestern ihre Ewigen Gelübde ab.

Die Gemeinschaft wuchs rasch und eröffnete Krankenhäuser, Kliniken und andere Häuser in Asien, Ostasien, Afrika, Europa, Lateinamerika und den USA. Das Vatikanische Konzil brachte auch in unserer Gemeinschaft viele Umbrüche und Veränderungen. Aber 1973 übertrug Anna Dengel voll Vertrauen die Verantwortung für die Missionsärztlichen Schwestern an Jüngere. Sie sagte: »Die Zukunft gehört Euch, Ihr wisst um die Nöte der heutigen Zeit ebenso wie ich um die Nöte meiner Zeit wusste.« Im Frühjahr 1976 erlitt sie einen Schlaganfall und war von da an halbseitig gelähmt. Sie starb am 17. April 1980, dem gleichen Tag, an dem auch Dr. Agnes McLaren verstorben war, jene Frau, von der Anna Dengel den Impuls erhielt, Missionsärztin zu werden.